A fetzn Gaudi – Hörnerschlittenrennen

Für den Einstieg braucht es Mut

Zwei Meter lang – zum Lenken große Kufen – Gesamtgewicht eine halbe Tonne und – geht ab wie Schmitt’s Katze mit ca. 70-80km/h sogar 100km/h – des kann nur ein Schalengge sein! 

Im Ostallgäu nennt man sie Schalengge –  in Oberbayern Schnabler – in Oberallgäu Hoanarschlitten

Und auf Hochdeutsch heißen sie Hörnerschlitten.

Dieser Artikel gehörte zum #OutdoorAdvent2015. #outdooradvent2015Jeden Tag öffnete ein anderer Blogger ein Türchen.

 

Den Namen hat der Hörnerschlitten seinen Kufenenden zu verdanken, die eben hörnerförmig sind. Sehr lang und stark gebogen. Zum Festhalten bestens geeignet. Der Schitten besaß in dem Sinne keine Sitzbank, da man ihn im Stehen fuhr.

Nur zur Vorabinfo: Hornerschlittenrennen werden in verschiedenen Kategorien eingeteilt. Mit den Jahren hat sich nämlich aus einem begonnenem Gaudirennen ein Hornersport entwickelt. Daher gibt es nun 3 Kategorien: Gaudirennen – Hobbyrennen – semiprofessionelle Rennen.

Ich gehe jetzt mal nur auf den Gaudi ein…

Früher 

wurden diese überdimensionalen Rodel in der Bergregion als winterliches Arbeitsgerät genutzt. Das im Sommer eingelagerte Heu auf den Hochalmen und geschlagene Holz wurde erst im Winter ins Tal gebracht. Es gab damals einfach keine andere Transportmöglichkeit. Somit mussten die Bergbauern bis zum Winter warten, bis sie den Abtransport über die steilen Hänge vornehmen konnten.

Kräfteraubend und

gefährlich waren die rasanten Abfahrten ins Tal. Immer zwei Männer fuhren die voll beladenen Schalenggen die steilen Hänge hinab. Die großen Schlitten wurden nur aus Holz gebaut und waren weder richtig mit Metall beschlagen, noch besaßen sie Bremsen oder eine Lenkvorrichtung. Bis zu vier Mal täglich begaben sich die Männer auf solch eine anstrengende Schlittenfahrt. Wenn alles gut ging, hieß es: „Guat isch gange, koi Schalengge isch hee woare.“ 

Pfronten Tourismus
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Und heuer?

Braucht man immer noch Mut, um mit so einem Ungetüm die Piste obi zu rodeln.

Bei dem Schalenggerennen werden nur original Hörnerschlitten, natürlich ohne Hilfsmittel wie Brems- und Lenkvorrichtungen, zum Rennen zugelassen. Jedes Jahr, seit 1977 bereits, stets zur Faschingszeit, finden die Schalenggarennen im Ostallgäu statt. Und was wäre die Faschingszeit ohne Verkleidung? Klaro. Gar nix.

Auch beim Gaudirennen kleiden sich die Piloten ganz traditionell in Lederhosn, Berglerstrickjacken und schweren Lederschuhen. Aber auch andere verrückte bisweilen kuriose Verkleidungen werden den Zuschauern geboten – von Bärenfellen bis zu Wikinger Hüten.  

 

 

 Es gibt auch einen Schalenggar Verein. 1982 in Pfronten Kappel gegründet.

Termine unter

Allgäuer Schalengg’e Rennen – Infos unter www.kappelar-schalenggar.de

Gaudirennen – Infos unter www.pfronten.de


Mit den Jahren hat sich das Gaudirennen deutschlandweit rumgesprochen. Ach, was sag ich. In der Schweiz fand ich ebenso ein Traditionsrennen.

Aber bleiben wir mal in Deutscheland. Hier gibt es sogar einen Hornschlitten-Cup. Am Start sind Thüringen (meine Heimat) -> Brotterode, Sachsen -> Oberwiesenthal und Bayern -> Garmisch Partenkirchen.

Um an den Cup teilnehmen zu können, gibt es einige Regeln. Allem voran, der Hornschlittenbau. Dieser muss nach der Werdenfelser Bauart gestaltet sein, was Größe und Maße betrifft.  Kleiner Auszug aus der Hörnerschlittenbibel: “Der wesentliche Bestandteil ist Holz. Ausnahme sind die Beschläge, Kufen und der untere Teil der Tatzen. Die Kufen dürfen nicht beweglich und verwindbar sein. Die Schienen müssen aus Eisen oder Stahl sein. Zum unverzüglichen Abbremsen muss der Schlitten mit wirksamen Tatzen versehen sein – mit Griffen aus Hartholz. Zwei Kipfe aus Holz am Schlittenende dienen als Anschubhilfe.

Das größte Schlittenrennen ist in Garmisch. Man stelle sich vor, hier pilgern bis zu 10.000 Menschen hin und jubeln den furchtlosen Hornschlittenfahrerinnen – und fahrern zu.

Die 1,2 Kilometer kurze Abfahrt wird in 1 1/2 Minuten absolviert. Satte 100 Stundenkilometer können da zusammen kommen. Und dabei müssen alle Teile des Schlittens und alle Fahrer am Ziel eintreffen, um gewertet zu werden. 

Guat zu merken

Die Namen der Teams müssen hier auch einmal erwähnt werden. Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt.

Hier heißen die Männerteams: Baira Hundsbuam;  Quick & Dirty;  d´Musiwampn; Thüringer Hornochsen; De Schwindligen 4re, De Wuid´n vom scharf´n Eck

Und die Frauen lassen sich auch nich lumpen und preschen mit ihren kreativen Namen vor: Flinke Schneehasen, De wuid´n Engal, Die Heißen Ku(r)ven, Quickie III

www.hornschlitten.de

www.hornschlitten.de
www.hornschlitten.de

hornschlittenverein-brotterode

hornschlittenrennen_brotterode

www.oberwiesenthal.de

www.oberwiesenthal.de
www.oberwiesenthal.de

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Hoch hinaus

Bei dem Schnablerrennen in Bad Tölz wird regelrecht mit dem Schlitten geflogen. Auf der Webseite entdeckt man so einige Fotos die einen Schmunzeln lassen. 

 

 

Die Idee des Schnablerrennes entstand aus einer Wette heraus.

schnablerrennen_badtoelz2
www.schnabler.de

1928 stürzen sich wagemutig ca. 30 Schlittenfahrer und 40 Schnabler (mit 2 Mann Besatzung) auf der 1,5 km langen Strecke zu Tal.
Ziel ist es, den schmalen, steilen und zum Teil vereisten Weg möglichst schnell zu fahren und abschließend auf der Naturschanze so weit wie möglich zu fliegen, ohne mechanische Hilfen wie Bremse oder Steuer.

Der weiteste Sprung mit einem Schnabler betrug 25 Meter. Beachtlich! Die Landung ist wahrscheinlich besonders markant ausgefallen ;). Autsch.

 

 

 


Horäschlittä-Renä

In der Schweiz nennt sich das Rennen “Horäschlittä-Renä” am Chuenisbärgli.

Ich muß es auch in Zeitlupe lesen, damit ich es einigermaßen verständlich aussprechen kann. 😉

Ca. 100 Zweierteams starten an dem Weltcup-Hang Chuenisbärgli. Auch hier lebt dadurch die Tradition wieder auf: In den Finneln (Heuschobern) wurde das Heu in den Bergen früher eingelagert, bevor es die Bauern im Winter auf den grossen Schlitten (Horäschlitten) ins Tal brachten.  

In urchigen, halbleinenen Kleidern und Zipfelmützen, aber auch im sportlichen Outfit mit Helm geht es rasant hinab.

Infos unter www.adelboden.ch

 

11 Kommentare

    1. Ja Guten Morgen oder besser gesagt Guten Nachmittag 🙂
      Danke dir. Das stimmt. Da bekommt man auch die Lust aufs obi sausen!

      Und nun bin ich neugierig auf deinen Bericht: Weihnachten in Japan. 🙂
      Herzliche Grüße zur dir nach Tokio.
      Conny

  1. Sehr guter Bericht, ich glaube mit einem Fetz’n hätte ich da auch eine Gaudi 🙂
    Ansonsten würde ich mich gar nicht trauen mit so einer Rodel runter zu fahren.
    Aber die Sprungfotos sind schon sehr geil, nur tut mir mein Allerwertester nur vom Betrachten der Fotos weh…

    1. Ja *lach*, mein Hintern sagt auch schon Aua, wenn ich die Schlitten nur fliegen sehe. Ach, die haben bestimmt so ne Art Airbag-Windel am Allerwertesten. Des federt dann alles ab. 😉
      Danke, dass dir mein Bericht gefällt 🙂
      Herzliche Grüße
      Conny

  2. Also wenn ich mit so einem Ding die Gravitation so richtig an die Grenzen der physikalischen Gesetze bringen würde, dann könnte ich wohl schon für das kommende Monat “vegetarisch” bei der Speisenauswahl im Krankenhaus ankreuzen. Na Servas, da bleibe ich wohl lieber beim Zusehen. 😀

  3. Hallo Conny,
    was für eine Gaudi. Würde ich mir auch gerne mal anschauen. Schöner Artikel, sehr informativ. Schön das es noch solche Traditionen gibt.
    Liebe Grüße und wunderbare Weihnachtstage
    Jürgen

    1. Danke dir.
      Ich war auch erstaunt, dass sogar mit solchen Schlitten ohne “Federung” oder sonstigem so weit geflogen wird. 😀 Und das Schöne ist, dass die Tradition erhalten bleibt. Das finde ich auch prima.
      Schöne Grüße und einen fröhlichen Rutsch
      Conny

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